Morgenandacht für den 6. Juni 2020

  • So Gott will und wir leben

    In der Familie meiner Großmutter gab es eine Tradition.

    Wenn sie zu einem Fest einluden, wenn sie Ereignisse und Zusammenkünfte in der näheren

    oder ferneren Zukunft planten, versahen sie die entsprechenden Briefe oder Kartengrüße

    mit dem Zusatz: „Sub conditione Iacobaea“. Das ist Lateinisch. Übersetzt: „Unter der

    Bedingung des Jakobus“

    Manchmal flochten sie es kunstvoll in die Einladung ein, manchmal stand es ganz klein

    unten drunter. Das hat mich als Kind allein deshalb fasziniert, weil ich es nicht verstand. Die

    lateinischen Worte klangen für meine kindlichen Ohren wunderbar geheimnisvoll. Und

    gelehrt. Als ich später wusste, was sie bedeuten, blieben sie dennoch besonders.

    „Sub conditione Iacobaea“, „Unter der Bedingung des Jakobus“:

    So planten meine Vorfahren ihre Zukunft. Und mit dieser Bedingung meinten sie das, was in

    der Bibel im Jakobus-Brief zu lesen ist: „So Gott will und wir leben“ steht da. (Jakobus 4,15)

    Noch heute laden wir einander in der Familie zu größeren Ereignissen so ein. Manche

    finden: Ein schrulliger alter Zopf. Aber mir ist es liebgeworden. Eine Lebenshaltung drückt

    sich darin aus.

    So Gott will und wir leben.

    In diesen Worten steckt die Einsicht: Wir haben unsere Zeit nicht selbst in der Hand. Was

    morgen sein wird und übermorgen; was die nächsten Wochen und Monate bringen werden:

    Wir wissen es nicht mit Sicherheit.

    Wir tragen Verantwortung, müssen entscheiden, planen, handeln, in die Wege leiten. Wir

    können und wissen erstaunlich viel. Hier und da mehr, als uns gut tut. Doch das

    Wesentliche – das Leben selbst – liegt nicht in unserer Macht.

    Präses der EKvW, Annette Kurschuss