So Gott will und wir leben
In der Familie meiner Großmutter gab es eine Tradition.
Wenn sie zu einem Fest einluden, wenn sie Ereignisse und Zusammenkünfte in der näheren
oder ferneren Zukunft planten, versahen sie die entsprechenden Briefe oder Kartengrüße
mit dem Zusatz: „Sub conditione Iacobaea“. Das ist Lateinisch. Übersetzt: „Unter der
Bedingung des Jakobus“
Manchmal flochten sie es kunstvoll in die Einladung ein, manchmal stand es ganz klein
unten drunter. Das hat mich als Kind allein deshalb fasziniert, weil ich es nicht verstand. Die
lateinischen Worte klangen für meine kindlichen Ohren wunderbar geheimnisvoll. Und
gelehrt. Als ich später wusste, was sie bedeuten, blieben sie dennoch besonders.
„Sub conditione Iacobaea“, „Unter der Bedingung des Jakobus“:
So planten meine Vorfahren ihre Zukunft. Und mit dieser Bedingung meinten sie das, was in
der Bibel im Jakobus-Brief zu lesen ist: „So Gott will und wir leben“ steht da. (Jakobus 4,15)
Noch heute laden wir einander in der Familie zu größeren Ereignissen so ein. Manche
finden: Ein schrulliger alter Zopf. Aber mir ist es liebgeworden. Eine Lebenshaltung drückt
sich darin aus.
So Gott will und wir leben.
In diesen Worten steckt die Einsicht: Wir haben unsere Zeit nicht selbst in der Hand. Was
morgen sein wird und übermorgen; was die nächsten Wochen und Monate bringen werden:
Wir wissen es nicht mit Sicherheit.
Wir tragen Verantwortung, müssen entscheiden, planen, handeln, in die Wege leiten. Wir
können und wissen erstaunlich viel. Hier und da mehr, als uns gut tut. Doch das
Wesentliche – das Leben selbst – liegt nicht in unserer Macht.
Präses der EKvW, Annette Kurschuss